David Graeber: Debt. The first 5.000 Years. New York 2012.

P1070243Endlich wird die staubige Bücherkiste wieder geöffnet, um etwas verspätet ein Buch hineinzuwerfen – die Lektüre ist zwei Jahre her und die Kiste selbst seit über einem Jahr geschlossen. Da liegt jetzt also schon ordentlich Staub drauf.

Doch es lohnt sich, denn dieses Buch hat sicherlich das Zeug zum Klassiker. David Graeber ist Anthropologe und Vordenker der Occupy-Bewegung, zur Erinnerung: das sind die Damen und Herren, die sich eine zeitlang zeltenderweise vor den Tempeln der Finanzwelt niedergelassen hatten.

Graeber zeichnet über weite Teile des Buchs die Geschichte der Schulden und damit des Geldes nach und lässt dabei deutlich werden: Schulden sind der Schuld entwachsen und damit ursprünglich eine religiös-moralische Kategorie der Menschen im Verhältnis zu ihren Göttern und zueinander (ähnlich ‚Geld‘ – engl. ‚guilt‘ [Schuld]). Der Mythos der Entstehung des Geldes als Weiterentwicklung des Tauschhandels ist von Ökonomen konstruiert, die sich nicht mit der Geschichte des Menschen, seinen Verhaltensweisen und Traditionen auseinandergesetzt haben.

Schulden haben also etwas religiöses an sich: So muss kollektiv an den Wert einer Währung geglaubt werden, vermittelt über eine Autorität, die Gewähr dafür gibt, dass ihr Wert erhalten bleibt. Besteht das Geld nun aus wertlosem Papier oder vermeintlich wertvollem Edelmetall (das man aber ja bekanntlich weder essen noch sonst sinnvoll nutzen kann) oder gar aus einem virtuellen Datensatz – am Ende steht stets eine Institution, die für den Wert garantiert.

Die Geschichte der Zivilisation, die Graeber nachzeichnet, ist auch eine Geschichte der Schuldenkrisen und Schuldenschnitte. Das Geflecht von Schulden, Macht und Unterdrückung illustriert Graeber an zahlreichen Beispielen. Zentrale Erkenntnis ist: Genau wie religiöse Schuld (…und vergib‘ uns unsere Schuld – wie auch wir vergeben unseren Schuldigern) können Schulden erlassen werden, wofür Graeber letztendlich auch in der Gegenwart eintritt. Alle Jubeljahre (von hebr. schenat hajobel) braucht es einen Schuldenschnitt, wenn das Ungleichgewicht zwischen Schuldnern und Kreditgebern so groß wird, dass die Schuld nicht mehr beglichen werden kann. Die Geschehnisse um Griechenland und den Euro lassen das Buch auf jeden Fall wieder sehr aktuell werden.

Es sei dahingestellt, ob Graebers Ideen der große Coup für eine bessere Gesellschaft ist oder ob er die Funktion des Geldes für die Weltgesellschaft, die durch einen Schuldenschnitt doch sehr stark beschnitten würde, falsch einschätzt.

 

Ein letzter Gedanke:

Zinsen auf Schulden sind unter anderem das, was ich meinen Kindern immer wünsche: Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft gewürzt mit dem Optimismus, dass diese auch eintritt. Der Gedanke, dass es zum Glück einen Unterschied zwischen ‚mehr‘ und ‚besser‘ gibt, mag in einer Zeit allgemein niedriger Zinsen trösten.

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