Datenmissbrauch und gezielte Manipulation fordern Demokratie und Rechtsstaat zunehmend heraus
Diskussionsveranstaltung der GRÜNEN KV Coesfeld und OV Lüdinghausen mit Julia Krüger am 16. Mai im Burghof Richter Lüdinghausen
Wie beeinflussen Soziale Netzwerke wie „facebook“ und „twitter“ das Zusammenleben in unserer Gesellschaft? Was kann jeder Einzelne tun, um sich vor Datenmissbrauch und Manipulation zu schützen? Diese und andere Fragen standen im Mittelpunkt der Diskussionsveranstaltung am vergangenen Mittwoch im Burghof Richter. Als Expertin von den GRÜNEN in Lüdinghausen eingeladen war die unter anderem bei netzpolitik.org engagierte Wissenschaftlerin Julia Krüger.
Julia Krüger beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Datenschutz und Fragen der Selbstregulierung der Informationswirtschaft. Sie verdeutlichte in ihrem Vortrag an Beispielen, dass die derzeitigen rechtlichen Regelungen die Bürgerinnen und Bürger weder vor anonymer Hetze im Internet noch vor massivem Datenmissbrauch durch Großkonzerne wie Facebook, Google, Apple & Co. schützen können. Das gelte sowohl für die gerade erst in Kraft getretene europäische Datenschutzrichtlinie als auch für das sogenannte Netzwerkdurchsuchungsgesetz, das die Betreiber zu Löschung strafbarer Inhalte verpflichtet. Der Gesetzgeber habe damit die Verpflichtung zur Löschung strafbarer Inhalte vollständig den Betreibern der Plattformen überlassen, was einer Privatisierung der Strafverfolgung gleichkomme und die Betreiber letztlich sogar stärke, statt sie zu kontrollieren.
Wie umfangreich die Auswertungs- und Manipulationsmöglichkeiten der global agierenden Datensammler inzwischen sind, verdeutlichte die Referentin beispielhaft am Thema ‚Wahlmanipulation‘. Im Vorfeld der Präsidentenwahl in den USA und der BREXIT-Entscheidung in Großbritannien seien Nutzerdaten wie z.B. Kaufverhalten, soziale Kontakte und andere Lebensgewohnheiten ohne Wissen der Betroffenen zunächst in großem Stil miteinander verknüpft und psychologisch ausgewertet worden. Dies konnte dann ganz gezielt für Strategien im Bereich der Wahlwerbung eingesetzt werden. Wahlmanipulation funktioniere vor allem über eine gezielte Polarisierung.
Aber nicht nur das Sammeln von Daten zur personenscharfen Ansprache von Kunden und Wählern durch denjenigen, der am meisten Geld für seine Kampagne ausgeben kann, stellt eine mögliche Gefährdung für die Demokratie dar. Auch das ständige Bewegen der Nutzer*innen in der eigenen ‚Filterblase‘, die durch Algorithmen von sozialen Netzwerken wie Facebook & Co. erzeugt wird, führt möglicherweise zum Auseinanderdriften gesellschaftlicher Gruppen. Man wird immer wieder in seinen Ansichten verstärkt, wenn nur noch vorgesetzt wird, was einem gefällt.
Doch was ist ein möglicher Ausweg aus der Abhängigkeit von den großen Anbietern? Der Lüdinghauser Alexander Kallenbach stellte das Konzept offener Sozialer Netzwerke vor. Er hat selbst eine Instanz des dezentralen Mastodon-Netzwerks aufgesetzt – mit derzeit weltweit über einer halben Millionen Nutzern empfahl er solche offenen Netzwerke als Alternative zu den großen kommerziellen Plattformen. Hier sind die eingesetzten Algorithmen öffentlich und die Nutzer können selbst entscheiden, ob sie einer bestehenden Nutzergruppe beitreten oder selbst eine eigene betreiben wollen. Dabei kann man sich über die Plattformen hinweg gegenseitig austauschen. Die kommerziellen zentral gesteuerten Plattformen wie Facebook, Instagram und Twitter sind nach außen hin geschlossen.
In der sich anschließenden Diskussion gab es unter den Anwesenden einen regen Austausch sowohl zu Fragen des eigenen Nutzerverhaltens als auch zu der gesellschaftspolitischen Dimension der Nutzung Sozialer Netzwerke. Einig war man sich dabei, dass Strukturen durch die weltweite digitale Vernetzung zunehmend zentralisiert werden. Damit werde Datenmissbrauch und gezielte Manipulation von Informationen zu einer echten Herausforderung für die Sicherung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland und Europa. Große Wirtschaftsunternehmen unterliegen in Deutschland und Europa grundsätzlich einer Kartellaufsicht, die für Transparenz sorgen und eine marktbeherrschende Einflussnahme verhindern soll. Gleiches müsse auch für den Bereich der Informationswirtschaft gelten. Ein Teilnehmer betonte, wie absurd es ist, wenn in öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosendungen durch den Verweis auf facebook-Seiten kostenlos Werbung für ein Unternehmen gemacht wird, das noch nicht einmal angemessen Steuern zahlt.
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